Günter Lamprecht

Günter Lamprecht wurde am 21. Januar 1930 als Sohn eines Taxifahrers und einer Landarbeiterin in Berlin-Wilmersdorf geboren. Dort erlebte er keine glückliche Kindheit. Sein Vater war ein überzeugter SA-Mann und schon sehr früh Mitglied der NSDAP. Nach fünf Jahren musste L. kriegsbedingt die Grundschulausbildung abbrechen. Als Hitlerjunge beim Endkampf um Berlin eingesetzt erlebte L. die Grausamkeiten und Schrecken des Krieges am eigenen Leib. Von nun an galt für L.: Nie wieder Krieg! 1945 begann er eine Dachdeckerlehre, die er schon nach zwei Monaten beendete. Zeitweise war er in einer Knopffabrik tätig. Eine vierjährige Lehre als Orthopädiemechaniker schloss er mit dem Gesellenbrief 1949 ab. Bis 1953 war L. in diesem Beruf tätig und nebenbei im Box- sowie Rudersport engagiert. Ab 1953 nahm er Schauspielunterricht in Berlin bei Else Bongers. Dann erhielt er ein Stipendium der Stadt Berlin für die Ausbildung zum Schauspieler an der Max-Reinhardt-Schule. Seine Lieblingslehrerin war dort die große Lucie Höflich. Erste Theatererfahrungen sammelte L. in dieser Zeit an dem von Boleslaw Barlog geleiteten Schillertheater Berlin. Ein erstes Engagement trat L. 1955 am Schauspielhaus in Bochum an, wo er bis 1959 verblieb. Weitere Theaterstationen waren die Städtischen Bühnen Oberhausen, Staatstheater Wiesbaden, Theater der Stadt Heidelberg, Städtische Bühnen Gelsenkirchen und Essen sowie das Schauspielhaus in Köln. In der Spielzeit 1971/1972 gastierte L. am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Danach begann die freiberufliche Zeit, z.B. an der Freien Volksbühne Berlin und wieder am Schauspielhaus Bochum unter Peter Zadek (1974). Gleichzeitig verlagerte sich seine schauspielerische Tätigkeit immer mehr zu Film und Fernsehen. Erste Zusammenarbeit mit Rainer Werner Faßbinder . Immer wieder Theatergastspiele: Ruhrfestspiele Recklinghausen (1981), den Azdak in Brechts Der kaukasische Kreidekreis – L. wurde Schauspieler des Jahres (Fachzeitschrift Theater heute ) – und den Dorfrichter Adam in Kleists Der zerbrochene Krug. Weitere nennenswerte Rollen am Theater: den Stanley Kowalski , den Chlestakov (Der Revisor), den Jedermann , den Maurerpolier John , Eddie Carbone (Ein Blick von der Brücke) und Pierre Besuchov (Krieg und Frieden) e. Piscator. Insgesamt spielte L. circa 75 Haupt- und Titelrollen am Theater.
Anfang der Siebziger begründete L. seine Fernsehkarriere mit dem Zweiteiler Stellenweise Glatteis (W. Petersen), Rosenmontag (P. Beauvais), Wir sind Utopia“ (St. Barabas), Kurzschluss (W. Petersen),_ Das Brot des Bäckers_ (E. Keusch) und Rückfälle (P. Beauvais), in dem er mit beklemmender Intensität einen Alkoholiker spielte, der nach einer Entziehungskur vergebens versucht, wieder ein normales Leben zu führen. Mit seiner Rolle des Franz Biberkopf in R.W. Faßbinders 14teiler Berlin Alexanderplatz wurd L. in den USA das schauspielerische Ereignis des Jahres 1983. Nach Berlin Alexanderplatz machte L. endgültig das Fernsehen zum Schwerpunkt seiner schauspielrischen Arbeit. So wirkte er bis 1994 in circa 120 Produktionen mit. 1982/1983 spielte er die Titelrolle in dem Spielfilm Milo Barus, der stärkste Mann der Welt (Henning Stegmüller). Nach dem französischen Film_ Rote Küsse_ von Vera Belmont sah man L. in erfolgreichen Fernsehserien in den Hauptrollen; u.a. Christian Rother, Bankier für Preussen (P. Deutsch) und Roncalli (Michael Mackenroth). Für den Sender_ Freies Berlin_ übernahm L. 1989-1995 in der ARD-Reihe Tatort die Rolle des Kommissars. L. entwickelte mit großem Engagement den Kommissar Frank Markowitz. L. wollte die Markowitz-Drehbücher gewaltfrei halten, stieß aber mit dieser Absicht auf Widerstand beim damaligen Fernsehspielchef. Die Zusammenarbeit von L. mit dem SFB wurde für ihn unerträglich, so dass er sich nach acht Produktionen gezwungen sah, diesen Sender zu verlassen. Später ging er auch mit zwei Markowitz-Stücken Herrengold und Vaterliebe auf Tournee durch die deutschsprachige Theaterwelt. Auch seine Unbestechlichkeit gegenüber hohen Gagen konnte ihn nicht dazu bringen, in Geschichten mitzuwirken, die »banal über die rauhe Wirklichkeit hinwegspielte0171, wie die Süddeutsche Zeitung (21.1.2000) schrieb. 2000 spielte L. die Hauptrolle in dem Fernsehfilm Ein fast perfektes Alibi nach dem Roman Glatteis von Hans Werner Kettenbach unter der Regie von Michael Gutmann und in einem weiteren Fernsehfilm _Mein Freund Balou (_M. Lüdtke).

Filmrollen u.a.: Das Brot des Bäckers (76), Milo Barus (82), Liebe ist kein Argument (83), Das Boot (84), Rote Küsse (85), Epsteins Nacht (2002).

Fernsehrollen u.a.: Insel der Rosen (76), Notwehr (76), Weder Tag noch Stunde (77), Rückfälle (77), Die Schattengrenze (79), Berlin Alexanderplatz (79/80; 14 Folgen),_ Flüchtige Bekanntschaften_ (82), Besuch der alten Dame (84), Komplizen (84), Ein Mann namens Parvus (84), Liebfrauen (84), Roncalli (86; 6 Folgen), Rote Küsse (86), Christian RotherBankier für Preussen (86; 7 Folgen), Tatort (89-95; 8 Folgen), Herzsprung (92), Gefährliche Verbindung (93).

Veröffentlichungen: Im Herbst 2000 veröffentlichte L. bei Kiepenheuer & Witsch unter dem Titel Und wehmütig bin ich immer noch. Eine Jugend in Berlin den ersten Teil seiner zweiteiligen Autobiographie, mit der er nach Kritikermeinung unaufdringlich ein Stück Zeitgeschichte »von unten« aus dem Blickwinkel des Heranwachsenden erfahrbar macht (Rheinischer Merkur, 15.9.20009: »Der Mann ist nicht nur ein grandioser Schauspieler, er kann auch schreiben!« (Brigitte).


Auszeichnungen u.a.: Goldene Kamera (1977 und 2000), Der Deutsche Darstellerpreis (Chaplin Schuh 1982), Goldener Gong (1994, für Drehbuch und Darstellung in Tatort – Geschlossene Akten), Verdienstorden der Stadt Berlin (1996), Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen (2001).

L. ist zweimal geschieden. Aus seiner ersten Ehe mit Angelika Braumann stammt Tochter Annette (geb. 1961). Seine zweite Frau Gisela Zülch brachte zwei Töchter, Roswitha und Barbara, mit in die Ehe. Im November 1999 wurden L. und seine Lebensgefährtin Claudia Amm von einem jugendlichen Amokschützen in Bad Reichenhall schwer verletzt und warten bis heute auf eine juristisch und moralisch gerechte Anerkennung als Opfer.

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Ein höllisches Ding, das Leben
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