Martina Bogdahn über ihren Roman »Mühlensommer«
Warum hast du dieses Buch geschrieben?
Ich habe, ehrlich gesagt, nie darüber nachgedacht einen Roman zu schreiben, und eigentlich kann ich immer noch nicht glauben, dass ich es getan habe. Im Grunde war das Ganze die Idee eines guten Freundes, der bei einem gemeinsamen Biergartenbesuch meinte: „Du kannst so gut erzählen, warum schreibst du nicht ein Buch?“ Daraufhin habe ich erst einmal eine kleine Geschichte aus meiner Kindheit aufgeschrieben. Und dann noch eine und noch eine, plötzlich wollte ich gar nicht mehr aufhören. Vielleicht also war dieses Buch, ohne dass ich es wusste, schon viele Jahre in mir drin und durfte nun endlich raus.
Wie viel Martina Bogdahn steckt in der Ich-Erzählerin Maria?
Genau wie Maria bin auch ich auf einer einsam gelegenen Mühle groß geworden. Und ein paar ihrer Geschichten sind tatsächlich von Erlebnissen aus meiner Kindheit inspiriert. Die erwachsene Maria landet in meinem Roman unfreiwillig wieder auf dem Hof ihrer Eltern, und muss sich dort der Frage stellen, ob und wie sie ihren Alltag in der Stadt mit einem Leben auf dem Land verbinden könnte. Der Versuch, diese zwei Welten unter einen Hut zu bringen, ist etwas, das auch mich oft beschäftigt.
Familienzusammenhalt und individuelle Freiheit, zwei Seelen auch in deiner Brust?
Meine Familie hält zusammen. Vielleicht auch schon deshalb, weil es auf einem Bauernhof immer so viel Arbeit gibt. Ich kenne es nur so, dass man sich unterstützt, füreinander einsteht, und dass man miteinander spricht, wenn es Probleme gibt, selbst wenn es schwerfällt. Ich selbst habe mich für ein Leben in der Stadt entschieden, mein Beruf als Fotografin und vor allem meine Kinder lassen sich nicht so einfach verpflanzen, aber jedes Mal, wenn ich zur Mühle meiner Eltern fahre, berührt mich dieser Ort aufs Neue, weil ich weiß, dass es so eine Art von Zuhause nur einmal gibt.
Wie wichtig ist die Herkunft für die Figuren deines Romans?
Auf den ersten Blick bestimmt die Herkunft das Leben meiner Figuren. Von Beginn an spürt man zum Beispiel den unausgesprochenen Wunsch Marias, zu den sogenannten „Besseren“ zu gehören. Immer wieder sucht und findet sie kleine Freiheiten, um aus der Enge ihrer Umgebung auszubrechen. Das hat mich beim Schreiben oft zum Lachen, aber auch zum Weinen gebracht. Und am Ende ist es eine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit, die meine Heldin wieder nach Hause bringt.
Romantisierung des Landlebens durch die Städter und gelebte Wahrheit: Wie wichtig war es dir, diesen Unterschied darzustellen?
Natürlich kenne ich die romantische Vorstellung vom eigenen Bauernhof und träume manchmal auch selbst davon. Doch dieser Traum hat mit dem heutigen Landleben kaum mehr etwas gemeinsam. Eine klassische Landwirtschaft, wie ich sie in meinem Buch beschreibe, gibt es heute gar nicht mehr. Und es ist auch nicht so einfach, jemandem aus der Stadt zu erklären, was es heißt, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Man muss es selbst erfahren. Spätestens wenn einem nach dem ersten Tag körperlicher Arbeit alles wehtut, überlegt man sich doch, ob man das am nächsten Tag wieder machen möchte und spätestens ab dem übernächsten hat die Zeit auf dem Bauernhof mit Romantik nicht mehr viel zu tun. Und dennoch möchte ich meine Kindheit dort nicht missen, schließlich verbinde ich damit unendlich viele schöne Erinnerungen.